Tora no maki - Der Tiger als Symbol des Shotokan-Stils

Shoto bedeudet "Pinienrauschen" - mit diesem Pseudonym unterzeichnete Funakoshi-sensei seine Kalligrafien

© 2002 A. Krause

Letzte Aktualisierung: Sonntag, 01. Dezember 2002

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Shigeru Egami (li.) zusammen mit Yoshitaka Funakoshi (re.)

 

 

 

 

Funakoshi-sensei demonstriert 1954 im Rahmen einer großen Kampfkunstgala 88-jährig seine Kampfkunst.

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Shotokan ist neben Goju-ryu, Shito-ryu und Wado-ryu eine der weltweit verbreitetsten japanischen Karate-Stilrichtungen (jap. Ryu).  Der Stil ist durch lange tiefe Stellungen und einen effektiven Einsatz biomotorischer Grundprinzipien zur Energieerzeugung und -übertragung gekennzeichnet.

 

1. Anfänge 

Die eigentliche Geschichte des Shotokan beginnt im Jahre 1922 mit der Ankunft von Gichin Funakoshi, dem Vater des modernen Karate-Dô, in Tokio. Dadurch wurde das okinawanische Kara-te, dass zu dieser Zeit noch mit den gleichlautenden aber anders geschriebenen Ideogrammen "China-Hand" bedeutete, erstmalig im japanischen Hauptland unterrichtet. 
Dort trafen die alten Kampftraditionen chinesischen Ursprungs, die auf Okinawa jahrhundertelang nur im Geheimen und gerade zum Schutz vor der Willkür der japanischen Besatzer geübt wurden, auf einen fruchtbaren Boden. In Japan hatten die Kriegskünste von jeher einen besonderen Stellenwert, der sich in zahlreichen Schulen des bewaffneten und unbewaffneten Kampfes zeigte und in dem besonderen Ehrenkodex der Samurai (der Kriegerklasse) des sogenannten Bushidô seinen Höhepunkt fand. 

Die ersten Schüler Funakoshi-senseis stammten daher, wenn auch nicht ausschließlich, so jedoch zum größten Teil, aus alteingesessenen Samurai-Familien. Das Aufeinandertreffen dieser Kulturkreise führte letztendlich zur Aufnahme des Karate in den Kreis der japanischen Kampfkünste Budô, allerdings nicht mehr unter der Bezeichnung "China-Hand" sondern als Karate-Dô, der Weg der leeren Hand.
Für den Unterricht wurde im Jahre 1938 ein eigenes Dojo errichtet, das in Anlehnung an ein Synonym, das Funakoshi-sensei beim signieren von Kalligrafien gebrauchte, das Haus (jap. Kan) des Shoto ("Pinienrauschen") genannt. Alle heute mit Shotokan oder Shotokai bezeichneten Stilrichtungen des Karate-Do haben in diesem Dojo ihre Wurzeln. Außer im Shotokan-Dojo unterrichtete Funakoshi-sensei  auch an verschiedenen Universitäten Tokios (Aufzählung), wo sich bald eigene Karate-Clubs bilden sollten.

 

2. Der Wandel in Okinawa

Nun gilt es unter Karate-Historikern als gesichert, dass die Kampfmethoden, die Funakoshi-sensei aus seiner Heimat nach Japan mitbrachte nur sehr entfernt dem entsprechen, was heute als Shotokan-ryu bekannt ist. 
Das okinawanische Karate dieser Zeit war in seinen Ständen viel höher und kürzer, die Nutzung biomechanischer Prinzipien nur wenig ausgeprägt. Dafür verfügte es über ein reichhaltiges Arsenal von Methoden zur negativen Stimulation von Vitalpunkten, Hebel- und Wurftechniken und war so eher mit dem heutigen Ju-jutsu verwandt. Allerdings hatte schon einige Jahre vor der Einführung des Karate im japanischen Hauptland ein gewisser Wandel auf Okinawa, insbesondere was die Ausführung der Kata betrifft, eingesetzt. Dieser erklärte sich vor dem Hintergrund der maßgeblich durch die von Funakoshi's Meister Itosu betriebenen Einführung des Karate als Pflichtfach an okinawanischen Schulen im Jahre 1906. Überaus gefährliche Techniken der Vitalpunktstimulation wurden schon damals teilweise aus den Kata entfernt und vielmehr deren Wert für die körperliche Erziehung gesteigert.

Diese Kata in der Variante der Itosu-Schule brachte Funakoshi-sensei nach Japan.

 

3. Der Wandel in Japan

In Japan kamen als Faktoren, die letztlich den Wandel zur Shotokan-Stilrichtung maßgeblich bestimmten der Einfluss der Samuraitraditionen einerseits und der des Militärs andererseits hinzu. Dies führte einerseits zur Einführung des Kumite - auf Okinawa wurde nur Kata und Techniken am Makiwara trainiert. Dies ist auf Bestrebungen der Schüler Funakoshi's zurückzuführen, die allesamt mit den kampfbetonten japanischen Kampfkünsten wie Kendô oder Judô aufgewachsen waren und denen der Meister schließlich Anerkennung zollte. Ihren Höhepunkt erreichte die Einführung des Kumite allerdings erst nach dem Tode Funakoshi-senseis im Jahre 1957, mit der Abhaltung der ersten alljapanischen Karate-Meisterschaften.

Die zweite Änderung betrifft die Weiterenwicklung des Karate hin zu den tiefen Ständen und dem starken Körpereinsatz mit Betonung der Energieübertragung (Kime). Sie war erstmals in den Vorkriegsjahren zu beobachten. Heute wird dafür maßgeblich Funakoshi-senseis Sohn Yoshitaka (teilweise auch Gigo) genannt verantwortlich gemacht. Insbesondere die Fotos in Karate-Do Nyomon zeigen Stellungen, die auch heute nicht trefflicher eingenommen werden könnten. Seine Stärke ist Legende (vgl. auch den Artikel über ihn). Es ist allerdings zweifelhaft ob er diese Veränderungen selbst herbeigeführt hat oder vielmehr - unter dem Einfluss des japanischen Militärs, dass Karate für die Ausbildung von Elitesoldaten einsetzte - eine bisher geheim gebliebene und auch auf Okinawa nur wenig verbreitete Form des Karate, die Yoshitaka von seinem Vater und dieser von seinem zweiten (und eigentlichem Haupt-) Lehrer Azato gelernt hat, nunmehr öffentlich machte. Diese Frage wird wohl kaum zu klären sein - Yoshitaka verstarb jung und wegen der Kriegswirren ohne maßgebliche Schüler zu hinterlassen. Im Krieg wurde das Shotokan-Dojo zerstört; man sagt dies hätte Yoshitaka das Herz gebrochen und den tödlichen Verlauf seiner Krankheit begünstigt

 

4. Die Nachkriegsjahre

Die Irrungen der Kriegsjahre und der frühe Tod des jungen Meisters und zahlreicher anderer Karateka hatten der Entwicklung des Karate zunächst einen schweren Rückschlag zugefügt. Funakoshi-sensei verließ 1945 nach der Zerstörung des Shotokan-Dojos Tokio  und kehrte erst 1947 - nunmehr über 80-jährig -  zurück. Die in Folge des Krieges zersplitterten Karate-Gruppen fanden sich allmählich wieder zusammen. Der Altmeister unterrichtete nur noch in einem begrenzten Rahmen an der Waseda- u. Keio-Universität. Das Steuer hatte mittlerweile die Generation der überlebenden Schüler übernommen. Diese sahen es unter anderem als Aufgabe an, Karate zu benutzen, um in der chaotischen Nachkriegsgesellschaft Japans wieder feste Werte zu installieren. So gab es beispielsweise 1954 eine Demonstration in Tokio bei der Funakoshi-sensei nunmehr 86-jährig seine Kunst demonstrierte und dafür stehende Ovationen erhielt.

Die Bestrebungen der Nachkriegszeit führten dazu, dass eine einheitliche organisatorische Grundlage für die weitere Verbreitung des Karate-Dô, die von staatlicher Seite anerkannt ist, geschaffen werden sollte.
Unter diesen Vorzeichen wurde 1949 die Japan Karate Association gegründet
(mehr über JKA-Karate).

 

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Quellen:

Graham Noble "Master Funakoshi's Karate"
Mitsuke Harada